Lea*, 25, Geschichtsstudentin ist manisch-depressiv. Sie erzählt mir von ihrer Krankheit und ihren Erfahrungen auf der geschlossenen Station einer Psychiatrie.
„Ich war schon zweimal in einer Psychiatrie. Einmal wegen einer Depression, und einmal wegen dem Gegenteil einer Depression, einer Manie. Man ist nicht mehr man selbst. Man ist im wahrsten Sinne des Wortes verrückt oder nicht mehr zurechnungsfähig. Das ist ja das tolle bei dem Krankheitsbild, dass man eben wirklich von einem Extrem in das andere gehen kann. Von gesteigertem Selbstbewusstsein und einer Art Höhenflug wirklich bis ganz nach unten. Der Tod ist dann eigentlich so der einzige Ausweg, den man sich die ganze Zeit macht, dass das alles ein Ende hat und jeder Tag ist irgendwie schlimm und gleich und grau.

Ich muss mit der Gewissheit leben, dass ich eine Krankheit habe, die habe ich mein ganzes Leben. Und ich muss wahrscheinlich immer Medikamente nehmen, immer untersucht werden. Ich muss mit der Möglichkeit rechnen, dass es nochmal passiert. Früher hatte ich mich dafür geschämt, das war ein Kapitel, das wollte ich möglichst schnell beerdigen, als ob es nie passiert wäre. Und heutzutage stehe ich dazu und gehe auch relativ offen damit um.

Die ganz schweren Fälle, so wie ich auch einer war am Anfang, da wurde ich in einen ganz kleinen Raum eingesperrt, mit sagen wir mal 6m². Das kann man sich eigentlich gar nicht vorstellen wie das ist. Das ist so eine Glastür und die ist dann zu, die geht dann einfach nicht auf, egal was man macht. Und da fühlt man sich wirklich wie ein ganz gefährliches Tier oder wie der schwerste Verbrecher der Welt. Man wird auch mit Kameras überwacht. Man weiß also, dass jede Bewegung gesehen werden kann. Privatsphäre minus zehn.

Und ansonsten war ich auch über eine Woche oder zwei Wochen im Wachsaal und das ist eben ein Raum mit ungefähr acht Betten, das kann aber auch erweitert werden, wenn Bedarf ist, auf bis zu fünfzehn Betten. Und da hat man überhaupt gar keinen Ausgang. Da kann man teilweise Mal in den Innenhofbereich, aber ansonsten ist man wirklich 24 Stunden mit acht Leuten auf dem engsten Raum.

Man fühlt sich schon eingesperrt, wie ein Tier im Käfig. Vor allem im Innenhof, wo man den Zaun sieht, durch die Gitterstäbe guckt. Und auch vor den Fenstern ist so eine Art Gitter, dass man nicht rausschlüpfen kann. Fühlt sich schon an wie im Gefängnis. Es gibt auch eine halbe oder dreiviertel Stunde lang am Tag, wo die Zimmer abgeschlossen sind, da kann man gar nicht auf die Zimmer, da ist man im Gang mit den anderen Patienten. Das ist teilweise wirklich wie im Irrenhaus. Man kriegt extrem viel mit und man ist auch belastet dadurch.

Man hat keine Entscheidungsgewalt mehr über irgendetwas. Man hat seine Selbstständigkeit ein Stück weit komplett verlernt, weil man sie entzogen bekommen hat. Aber im Nachhinein denke ich mir auch, das war vielleicht die einzige Möglichkeit so.

Vielmals will man einfach nichts mit den Leuten zu tun haben. Psychische Krankheiten sind nicht ansteckend, aber trotzdem wird wenig in den Medien darüber berichtet.

Die einzigen sehr bekannten Volkskrankheiten Depression und Burnout, darüber wird immer wieder berichtet, das sind vielleicht so Themen, da geht es nicht an das Eingemachte, das sind irgendwie so Larifari-Krankheiten. Aber sowas wie `Was ist eine Manie? Oder, was ist eine Psychose? Oder Schizophrenie? ´ Das sind Sachen, die werden nicht richtig thematisiert in den Medien, vielleicht auch weil sie wirklich Hardcore-Themen sind, die vielleicht auch erschreckend sein können. Aber wenn man nicht aufklärt, dann wird es nie aufhören, dass die Leute ausgegrenzt werden, die psychische Krankheiten haben. Es wird immer ein Tabuthema bleiben und Leute, die psychische Krankheiten haben, werden dadurch immer gebrandmarkt sein, weil es irgendwie anormal ist.

Auch in der Arbeitswelt akzeptiert man das oft nicht und stigmatisiert dort die Leute und da müsste einfach generell in der Öffentlichkeit besser darüber aufgeklärt werden – vielleicht auch schon im Schulunterricht.“

*Name geändert

Entstanden im Rahmen eines Uniprojekts zum Thema Gesundheit

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3. Mai 2017

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